In Sprachen philosophieren

Barbara Cassin

„Die Sprache Europas ist die Übersetzung.“ (Umberto Eco)

Als Vorspann und als Erinnerung an Jacques Derrida möchte ich diesem Text ein längeres Zitat voranstellen.[1]  Es stammt aus dem von Jean Birnbaum aufgrund seiner letzten Gespräche mit Derrida im Jahre 2005 herausgegebenen Buch Apprendre à vivre enfin – ein performatives Oxymoron[2] , denn diese Gespräche werden von Anfang an aus posthumer Perspektive geführt:

Und so wie ich das Leben – und mein Leben – liebe, so liebe ich auch das, was mich ausgemacht hat und dessen Element eben die Sprache ist, diese französische Sprache, die die einzige Sprache ist, die man mich zu pflegen lehrte, auch die einzige, für die ich mich als mehr oder weniger verantwortlich bezeichnen kann. Das ist der Grund, warum es in meinem Schreiben eine, ich möchte nicht gerade sagen perverse, aber doch etwas gewaltsame Art und Weise gibt, mit dieser Sprache umzugehen. Aus Liebe. Die Liebe im allgemeinen verläuft über die Liebe zur Sprache, die weder nationalistisch noch konservativ ist, aber Beweise (preuves) verlangt. Und Prüfungen (preuves). Man kann nicht alles Beliebige mit der Sprache machen, sie existiert vor uns, sie überlebt uns. Wenn man die Sprache irgendwie antastet, muß man das auf raffinierte Weise machen, indem man ihr geheimes Gesetz noch in der Respektlosigkeit respektiert. Das ist die untreue Treue: Wenn ich die französische Sprache vergewaltige, tue ich das mit verfeinertem Respekt gegenüber dem, was ich für einen Imperativ dieser Sprache in ihrem Leben, ihrer Entwicklung halte. Ich muß immer lächeln und verspüre bisweilen sogar leichte Verachtung, wenn ich Leute lese, die völlig lieblos die „klassische“ Orthographie und Syntax einer französischen Sprache zu vergewaltigen glauben (wobei sie unerfahrenen Jünglingen mit vorzeitigem Samenerguß gleichen), während die große französische Sprache, unverletzlicher denn je, ihnen bei ihrem Treiben zuschaut und auf den nächsten wartet. […] Ich habe nur eine Sprache, und gleichzeitig gehört mir diese Sprache auf ebenso einzigartige wie exemplarische Weise nicht. […] Eine einzigartige Geschichte hat bei mir dieses universelle Gesetz übersteigert: Eine Sprache ist nichts, was einem gehört.[3]  

Ausgehend von dem zutiefst gewaltlosen Satz, dass eine Sprache nichts sei, das einem gehört, möchte ich nun von dem sprechen, was wir in unserem Dictionnaire des intraduisibles[4]  zu tun versucht haben, d.h. vom Problem der Übersetzung, wie es sich in der Philosophie stellt.[5] 

Ich kann und will nicht von „dem Unübersetzbaren“ in der Einzahl reden, da dieser Singular in meinen Ohren auf das verweist, was Derrida in Freud et la scène de l’écriture den „unübersetzbaren Körper“ der Sprachen nennt:

Zieht man zunächst den wörtlichen Ausdruck, wie er im Traum umschrieben wird, in Betracht, so stellt man fest, daß sein Klang, der Körper des Ausdrucks, sich vor dem Signifikat nicht auslöscht oder sich wenigstens nicht […] durchdringen und überschreiten läßt. Er agiert als solcher […]. Ein Verbalkörper läßt sich aber nicht in eine andere Sprache übersetzen oder übertragen. Er ist genau das, was eine Übersetzung fallen läßt. Den Körper fallen zu lassen, darin besteht eben die wesentliche Energie der Übersetzung.[6] 

„Das Unübersetzbare“ wäre mithin der Bereich, mit dem jeder literarische Übersetzer unausweichlich konfrontiert ist, die Unübersetzbarkeit an sich, d.h. der Bedeutungsträger, der Lautkörper, die Rhythmen, letztlich die Sprachen, so wie man sie hört und spricht und so wie sie existieren. Was uns Philosophinnen und Philosophen wohl eher entspricht, ist ein Plural: „Unübersetzbarkeiten übersetzen“, und zwar nicht etwa als eine schicksalhafte Herausforderung gegenüber Babel, sondern als eine evidentermaßen ironische und illusorische Angelegenheit. Das Wörterbuch der unübersetzbaren Wörter liefert jeweils nicht ‚die‘ richtige Übersetzung von irgendetwas Unübersetzbarem. Vielmehr klärt es Unstimmigkeiten, konfrontiert sie miteinander und regt das Nachdenken über sie an. Es ist in einem nicht abschließbaren Sinne pluralistisch und vergleichend angelegt und steht damit Borges und den Oulipisten näher als Heidegger und dem Schicksal („die moderne Form des Phantastischen ist die Gelehrsamkeit“, sagt Borges).

Eine der wichtigsten Eigenarten dieses Wörterbuchs ist in der Tat die Vielheit – sie ist zugleich unser Ausgangs- und Endpunkt. Wir gehen von der ursprünglichen und unausweichlichen Vielfalt der Sprachen aus. Daraus folgt eine weitere Bestimmung der Unübersetzbarkeiten: Es handelt sich um semantische und/oder syntaktische Symptome der Sprachunterschiede. Das Wörterbuch beabsichtigt, das Wissen der Übersetzer zusammenzutragen, indem es alle Fußnoten und alle erklärenden Parenthesen in den Text hineinnimmt – aus allen ‚Anm. des Übers.‘ wird Text.

 

Eine philosophische Geste: Ontologie und Logologie

Ich möchte dieses Projekt in Verbindung bringen mit einer bestimmten Art von philosophischer Tätigkeit, genauer mit dem Punkt, von dem aus ich begonnen habe, mich mit der griechischen Philosophie zu beschäftigen, nämlich der Sophistik, verstanden als eine Kritik an der Ontologie. Bekanntlich haben die Griechen mit einem gewissen Hochmut die Vielheit der Sprachen missachtet. Sie waren, in einer Formulierung von Arnaldo Momigliano, ‚stolze Einsprachige‘[7] , so dass hellenizein sowohl ‚griechisch sprechen‘ wie auch ‚korrekt sprechen‘, ‚als zivilisierter Mensch handeln und denken‘ bedeuten kann, im Gegensatz zum barbarizein, das alles Fremde zerstört und es mit dem Unverständlichen und Unmenschlichen vermengt. Wie kann dann aber eine Studie über die Griechen eine klärende Sicht auf die Verschiedenheit der Sprachen bieten? Die Antwort ist sehr einfach – oder jedenfalls glaube ich, hier vereinfachen zu können: Entweder man geht von den Dingen, oder man geht von den Wörtern aus.

Da ist einerseits die Ontologie, d.h., seit dem Lehrgedicht des Parmenides, die Setzung von esti, ‚ist‘, und selbst von ‚es gibt‘, ‚es gibt Sein‘. In diesem Lehrgedicht – von Heidegger auf eindrückliche Weise interpretiert[8]  – setzen sich Sein, Denken und Reden gegenseitig voraus. Der Mensch ist der „Hirte des Seins“. Ihm kommt die Aufgabe zu, das Sein getreu und sprachlich adäquat auszudrücken. Wenn man dieses „Denken“ im Sinne Heideggers verlässt und mit Platon und Aristoteles in die Metaphysik eintritt, so kann man die Dinge folgendermaßen darstellen: Die Sprache an sich ist ein organon, ein ‚Instrument‘, ein Kommunikationsmittel. Die Sprachen, wie sich Sokrates im Kratylos ausdrückt, sind die verschiedenen Materialien, die dazu dienen, dieses Instrument herzustellen, sie sind gleichsam Kleider der Idee:

Wenn nicht alle Gesetzgeber [die den Dingen die Namen geben] die gleichen Silben verwenden, darf man Folgendes nicht vergessen: dass auch nicht jeder Schmied das gleiche Eisen verarbeitet, selbst wenn er das gleiche Werkzeug für denselben Zweck herstellt. Sofern sie ihm aber die gleiche Form geben, wenn auch in einem anderen Eisen, bleibt das Werkzeug richtig; egal, ob es hier oder bei den Barbaren hergestellt wird.[9]

Gemäß Sokrates muss man daher von den Dingen ausgehen, von dem was ist, und nicht von den Wörtern.[10] 

In dieser Sichtweise bedeutet ‚übersetzen‘, möglichst schnell das ‚unter‘ den Wörtern gelegene Ding mitzuteilen, die Einheit des Seins ‚unter‘ der Verschiedenheit der Sprachen zutage zu fördern und das Mannigfaltige auf das Eine zurückzuführen. Die Übersetzung ist dann das, was Schleiermacher „dolmetschen“ nennt, „ein mechanisches Geschäft“.[11] 

Andererseits gibt es die ‚Logologie‘[12] , d.h. seit dem Traktat über das Nicht-Sein des Sophisten Gorgias eine Ontologiekritik, die zeigt, inwiefern das Sein immer nur eine Wirkung der Rede ist. Das Sein ist somit nicht immer schon da. Es ist vielmehr das Lehrgedicht des Parmenides, diesmal aber nicht von Heidegger, sondern von Gorgias gelesen, welches das Sein als einen gemeinsamen Effekt von Syntax und Semantik erst erzeugt. Ausgehend vom Wort ‚ist‘, esti, dritte Person Singular des Indikativ Präsens, bringt es die Abfolge „ist“ – „Sein ist“ – „das ‚ist‘ ist als Seiendes“ hervor. Sie gipfelt in der Benennung und Schöpfung des Subjekts als vom Verb gesondertes, indem der Artikel das Partizip Präsens ‚seiend‘ zu dem Substantiv ‚das Seiende‘, to eon macht, und in seiner Umschreibung als wohlgerundete Kugel. Wie Odysseus, der an den Sirenen vorüberfährt, bleibt es da, eingeschlossen in die Grenzen mächtiger Bande.[13] 

Die Welt, die von den Wörtern ausgeht, ist von ganz anderer Art. Wir befinden uns hier nicht mehr in den Bereichen der Onto-Logie und der Phänomeno-Logie, die uns sagen sollen, was ist und wie es ist, sondern im Bereich der Performanz, die, was gesagt ist, zugleich hervorbringt. Das bedeutet, dass die Sprache nicht mehr nur als bloßes Mittel, sondern als Zweck und als eine Kraft verstanden wird: „Wer die Sprache an sich interessant findet, ist ein Anderer, als wer in ihr nur das Medium interessanter Gedanken erkennt.“[14]  Ich möchte zudem an die Worte des Gorgias in seinem Loblied auf Helena erinnern: „Der logos ist ein großer Herrscher; mit dem kleinsten und unscheinbarsten Körper vollbringt er die göttlichsten Taten“.[15] 

Diese Sprachauffassung ist die des Wörterbuchs: eine Art sophistischer Logologie, eingetaucht in die Vielheit der Sprachen. Denn das bloße „es gibt“ entspricht genau der humboldtschen Vorstellung von der Vielheit der Sprachen: „Die Sprache erscheint in der Wirklichkeit nur als ein Vielfaches.“[16]  Die Sprache, das ist die Vielheit der Sprachen. So gesehen heißt ‚übertragen von einer Sprache in eine andere‘ nicht mehr ‚dolmetschen‘, sondern im humboldtschen Sinne ‚übersetzen‘, d.h. verstehen, dass die verschiedenen Sprachen verschiedene Welten hervorbringen, diese verschiedenen Welten miteinander kommunizieren lassen und die eine Sprache durch die andere in Unruhe versetzen, so dass die Sprache des Lesenden derjenigen des Autors entgegenkommt. (Ich paraphrasiere hier einen berühmten Satz Schleiermachers: „Entweder der Uebersetzer läßt den Schriftsteller möglichst in Ruhe, und bewegt den Leser ihm entgegen; oder er läßt den Leser möglichst in Ruhe, und bewegt den Schriftsteller ihm entgegen“.[17] ) Die Vorstellung von einer gemeinsamen Welt vermag dann höchstens noch als regulative Idee zu wirken – als fernes Ziel, nicht als Ausgangspunkt. Eine treffende Metapher dafür stammt von Troubetzkoy: Jede Sprache sei ein in allen Regenbogenfarben schillerndes Netz, das je nach der Größe seiner Maschen verschiedene Fische an Land zieht.[18] 

 

 

Homonymien

 

Ausgehend von dieser Vielfalt können auch wir Philosophen etwas vom Bedeutungsträger, vom unübersetzbaren Körper der Sprachen wieder-gewinnen. Es geht dabei nicht nur um die Vielfalt der Sprachen, sondern vor allem um die innere Vielfalt jeder einzelnen Sprache, d.h. um die Mehrdeutigkeit bestimmter Wörter. Durch die Mehrdeutigkeit wird der Signifikant zu einem Gegenstand der Philosophie, von Aristoteles bis Freud. Aristoteles macht die Kritik an der Homonymie zu einer Waffe gegen die Sophistik. Seine Widerlegung der Gegner des Satzes vom ausgeschlossenen Widerspruch basiert auf der Forderung nach Eindeutigkeit (er versteht sie als den einzig möglichen Beweis eines ersten Prinzips ohne petitio principii). Um reden zu können, muss man etwas sagen, etwas bedeuten, eine einzige Sache bedeuten wollen, und zwar dieselbe für einen selbst wie für alle anderen. Ein Wort kann denselben Sinn nicht zugleich haben und nicht haben; ‚guten Tag‘ kann nicht zugleich bedeuten ‚scher dich zum Teufel‘. Anders gesagt, das Wort ist das erste, was dem Prinzip des ausgeschlossenen Widerspruchs genügt. Entweder man unterwirft sich der Entscheidung in der Sinnbildung, oder man spricht nicht – und da es die Sprache ist, die den Menschen auszeichnet, kann das nur bedeuten, dass man eine Pflanze oder ein Gott ist. Wer nur um des Sprechens willen spricht, logou kharin, wird von Aristoteles rigide der Zugehörigkeit zur Menschheit verwiesen, und wer mit der Homonymie der Wörter spielt, um die für das Prinzip aller Prinzipien notwendige Eindeutigkeit ins Wanken zu bringen, ist ein Sophist.[19]  Die philosophische Denkarbeit gilt der Pflege der Eindeutigkeit. Ihr Ziel ist es, die Homonymien aufzulösen, wenn nötig durch das Erfinden neuer Wörter. Aber was tun, wenn die Homonymien keine akzidentellen Homophonien oder Homographien sind (wie z.B. ‚vert/vair/verre‘ oder ‚les poules couvent au couvent‘[20] ), sondern Merkmale der Geschichte, der Struktur, der inneren Genealogie einer Sprache? Aristoteles hat schon seine liebe Mühe damit, auch nur ein einziges gutes Beispiel für eine akzidentelle Homonymie zu finden. Dass sein Musterbeispiel kleis (‚Schlüssel‘/‚Schlüsselbein‘) nicht auf den Zufall, sondern auf ein Bild oder eine Metapher zurückgeht, ist unübersehbar.

Als gute „Logologin“ habe ich infolgedessen bei meiner Arbeit am Wörterbuch auf die Sprachen angewendet, was Lacan in L’Étourdit über die „lalangues“ eines jeden Unbewussten sagt: „Eine Sprache ist nichts anderes als das Integral der Mehrdeutigkeiten, die ihre Geschichte in ihr hinterlassen hat.“[21]  Anders als für Aristoteles, der Homonymien und Mehrdeutigkeiten als Grundübel der Sprache ansah, bilden sie für Lacan die Voraussetzung nicht nur für Wortspiele, sondern für das Eigentümliche einer Sprache überhaupt. Alles in allem hat das Wörterbuch sich immer mit genau diesem Thema befasst.
Ich möchte dies nun anhand einiger Beispiele darstellen. Nehmen wir das französische Wort sens. Es ist in den Wörterbüchern meistens Gegenstand mehrerer separater Einträge zu den semantischen Feldern der Sinneswahrnehmung, der Bedeutung und manchmal der Richtung. Für einen Gräzisten gibt es zwischen dem ästhetischen (aisthaneisthai, fühlen, wahrnehmen, begreifen) und dem semantischen Wortfeld (sêmainein, Zeichen geben, bezeichnen, bedeuten) keine Überschneidungen. Das lässt zunächst an eine akzidentelle Homonymie der französischen Sprache denken. Ein ganz anderer Befund ergibt sich jedoch, wenn man die von den Kirchenvätern angefertigten Übersetzungen aus dem Griechischen ins Lateinische mit in Betracht zieht: Die Einheit der Bedeutungen von sens wird hergestellt durch das lateinische sensus, das, vor allem in den Bibelübersetzungen, das griechische Wort nous wiedergibt. Nous bedeutet zunächst ‚wittern‘ (nachdem Argos, der Hund des Odysseus, seinen Meister ‚gewittert‘ hat, stirbt er vor Freude auf einem Misthaufen), darüber hinaus aber auch ‚Intuition‘, ‚Geist‘, ‚Intellekt‘ und, in Übereinstimmung mit sensus, die Verbindung zwischen Mensch und Welt sowie die ‚Bedeutung‘ bis hin zum Sinn des einzelnen Buchstabens. Am Übergang vom Griechischen zum Lateinischen zeigte sich, dass die scheinbare Homonymie tatsächlich das Resultat einer semantischen Verschiebung ist.

Die Auswahl der Unübersetzbarkeiten als Symptome ist somit eng verknüpft mit dem Augenmerk auf die Homonyme. Tatsächlich nimmt man Homonymien in einer Sprache erst vom Standpunkt einer anderen Sprache aus wahr. Das russische pravda z.B., das für gewöhnlich mit ‚Wahrheit‘ übersetzt wird, bedeutet zunächst ‚Gerechtigkeit‘ (die gängige Übersetzung des griechischen dikaiosunê). Vom Deutschen oder Französischen her betrachtet, handelt es sich somit um ein Homonym. Umgekehrt ist unser Wort ‚Wahrheit‘ vom slavischen Standpunkt her gesehen eine Homonymie, weil es die Differenz zwischen pravda (‚Gerechtigkeit‘) und istina (‚Wahrheit des Seins‘, ‚Exaktheit‘) unterdrückt.[22]  Dasselbe gilt für die Mehrdeutigkeit, die der slavische Wortstamm svet (‚Licht‘, ‚Welt‘) „für uns“ hat, sowie für die problematische Homonymie von mir (‚Welt‘, ‚Frieden‘‚ ‚bäurische Gemeinschaft‘), mit der Tolstoi in Krieg und Frieden spielt. Man könnte auf diese Weise einen großen Teil des Wörterbuchs aufdröseln, denn es handelt sich ganz offensichtlich nicht um isolierte Begriffe, sondern um ganze Begriffsnetze. Was man z.B. im Deutschen mit ‚Geist‘ bezeichnet, kann im Englischen mit mind oder mit spirit wiedergegeben werden, so dass die Phänomenologie des Geistes entweder of the Spirit oder of the Mind heißen kann, je nachdem, ob man in Hegel einen religiösen Spiritualisten oder den Vorläufer der anglo-amerikanischen philosophy of mind sehen möchte. Aber dasselbe gilt auch für das Skelett der Sprachen, die Syntax und die Grammatik, mit den durch die Wortfolge entstehenden syntaktischen Amphibolien oder Homonymien, für die Diglossien (wie soll man die Differenz zwischen russischer Hoch- und Volkssprache in der Übersetzung wiedergeben?), für die Zeiten und Aspekte, zwischen denen in einigen Sprachen differenziert wird und in anderen nicht, bis hin zur spanischen Unterscheidung zwischen ser und estar, die unser ‚sein‘ noch mehrdeutiger erscheinen lässt.

Die Vielheit ist notwendig für die „Deterritorialisierung“ (um einen Begriff von Deleuze zu gebrauchen[23] ), durch die allein man sich ‚seiner‘ eigenen Sprache bewusst werden kann. Es braucht mindestens zwei Sprachen, um zu wissen, dass man eine spricht – um überhaupt eine zu sprechen.

 

Eine politische Geste: Englisch, Globish und die analytische Philosophie

Aber diese philosophische Geste ist auch und vielleicht vor allem eine politische Geste. Wenn wir (und dieses ‚wir‘ vereint 150 Mitarbeiter, die zusammen etwa 15 Sprachen vertreten) mit dem Gefühl, alles neu erfinden oder wiederentdecken zu müssen, ungefähr zwölf Jahre lang zusammen gearbeitet haben, so hatten wir dabei die Frage im Kopf: Welches sprachlich-philosophische Europa wollen wir eigentlich? Die Antwort: Es gibt zwei, die wir nicht wollen. Ich würde sie folgendermaßen charakterisieren: weder ‚alles Englisch‘ noch den ‚ontologischen Nationalismus‘.

Alles Englisch – so wie man sagt „alles Quark“ – dieses Katastrophenszenario lässt nur eine einzige Sprache bestehen, eine Sprache ohne Autoren und ohne Werke: das Globish, global English, und daneben Dialekte. In dieser Sichtweise sind alle Sprachen Europas, Französisch, Deutsch, Italienisch usw., nur noch Dialekte, parochial, wie man auf Englisch sagt, die nur zu Hause gesprochen werden und die, wie eine bedrohte Spezies, als kulturelles Erbe geschützt werden müssen. Das Englisch von Shakespeare und Joyce gehört ebenfalls zu diesen Dialekten, die niemand mehr versteht – schon heute sind es an internationalen Kongressen, wo alle Globish reden, ausgerechnet die wenigen Teilnehmer aus Oxford, die man nicht versteht. Globish ist eine reine Kommunikationssprache, die von Tamarasset bis Peking dazu dient, einen Kaffee zu bestellen und – im Rahmen eines Programms zur politischen governance[24]  in einer knowledge-based economy – in Brüssel Exposés mit issues und deliverables einzureichen. Das Problem liegt in der Beziehung von Globish zum Englischen: Was die Situation so bedrohlich macht, ist die heimliche Komplizenschaft zwischen einem pragmatischen Esperanto und einer Kultursprache.

Englisch ist eine Sprache der Macht, eine imperiale Sprache, so wie es vor ihm die griechische koine, das Lateinische und in geringerem Maße das Französische waren. Es ist die Sprache der amerikanischen Diplomatie und Ökonomie, die zu einer Sprache der Internationalen Transmission wurde (Umberto Eco spricht von „langue internationale auxiliaire“[25], LIA, aber ich bevorzuge, leicht maliziös und in Erinnerung an Victor Klemperer, die Initialen LTI[26]). Es gibt aber auch philosophische Gründe, warum Globish tatsächlich eher Englisch ist: Der Zusammenhang zwischen der Sprache der politischen Großmacht und der analytischen Philosophie bildet meiner Meinung nach die kulturelle Basis für die LTI.

Die analytische Philosophie preist das Universelle als etwas Engelhaftes: Was zählt, ist der Begriff und nicht das Wort; Aristoteles ist sozusagen mein Kollege in Oxford. Man kann dort aber auch Platon antreffen: Die Sprachen sind die Kleider der Begriffe, und die Bekleidung zählt schließlich nichts. Auch Leibniz mit seiner Characteristica universalis gehört dorthin:

Wenn also ein Streit entsteht, so wird es zwischen zwei Philosophen ebenso wenig einer Diskussion bedürfen wie zwischen zwei Buchhaltern. Es wird genügen, dass sie ihre Federn nehmen, sich jeder an seinen Abacus setzen und sich gegenseitig sagen (nachdem sie, wenn sie es wünschen, einen Freund hinzugerufen haben): calculemus – lasst uns rechnen![27] 

und das Projekt der Aufklärung:

Noch vor dem Ende des 18ten Jahrhunderts wird ein Philosoph, der sich gründlich über die Entdeckungen seiner Vorgänger unterrichten will, dazu gezwungen sein, sein Gedächtnis mit sieben bis acht Sprachen zu beladen; und nachdem er sein Leben damit verschwendet hat, diese zu lernen, wird er sterben, bevor er mit dem Studium beginnt. Der Gebrauch des Lateinischen, dessen Lachhaftigkeit wir in den Dingen des Geschmacks aufgezeigt haben, kann nur für jene philosophischen Werke sehr nützlich sein, die in ihrer Klarheit und Präzision ihren Verdienst sehen und die nur einer universellen und konventionellen Sprache bedürfen.[28] 

In der Tat eine schöne philosophische Gesellschaft, die dazu auffordert, in der englischen Sprache einen plausiblen Ersatz für die Universalsprache zu finden. Warum also nicht Englisch?

Weil das Engelhafte des Universellen von einer Militanz des Alltäglichen begleitet wird. Englisch, hier verstanden als Idiom singulärer Werke und Autoren, die sich in der philosophischen Tradition auf Englisch ausgedrückt haben, ist die Sprache der Fakten par excellence, die Sprache des auf sich selbst aufmerksamen Alltagsgesprächs. Ob es sich um den Empirismus handelt (Hume) oder um die aus dem linguistic turn (Wittgenstein, Quine, Cavell) hervorgegangene ordinary language philosophy: Man bringt die Blasen der Metaphysik zum Platzen, indem man – matter of fact und fact of the matter – auf das achtet, was wir sagen, wenn wir Alltagsenglisch sprechen. Also nicht mehr „warum nicht Englisch“, sondern „weil Englisch“!

Daher kommt die erstaunliche Kraft des Globish, das, gestützt durch ein ‚analytisches Englisch‘, die in die Geschichte und das Dickicht der Sprachen verstrickte kontinental-europäische Philosophie als Kauderwelsch erscheinen lässt. Jacques Derrida konnte aus diesem Grunde in den USA nur an Instituten für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft unterrichten. Von einer solchen Warte aus ist die Vorstellung von Unübersetzbarkeiten völlig nichtig, schlimmer noch: ohne jeglichen Nutzen.

 

Wider den ‚ontologischen Nationalismus‘

Das andere Katastrophenszenario ist eine innerphilosophische Angelegenheit. Es betrifft ganz besonders uns Franzosen, die wir die Philosophiegeschichte in den Vorbereitungsklassen für die Elitehochschulen mit den Werkzeugen eines verwandelten und aufgepeppten Heidegger angegangen sind, und dies in ständigem Kontakt mit den stärksten aller möglichen Gesprächspartner, von René Char bis Lacan. Das ist eine Schwäche, nicht mehr analytischer, sondern hermeneutischer und europäischer Prägung, deren moderner Ursprung, verbunden mit dem sperrigen Problem des ‚Wesens‘ der Sprachen, die deutsche Romantik ist. (So schreibt z.B. Herder: „Wenn in Italien die Muse singend konversiert, wenn sie in Frankreich artig erzählt und vernünftelt, wenn sie in Spanien ritterlich imaginiert, in England scharf- oder tiefsinnig denket; was tut sie in Deutschland? Sie ahmt nach.“[29]  Die Nachahmung wird hier zum Wesensmerkmal einer wesenlosen Sprache, genau wie die Hand bei Aristoteles das „Werkzeug der Werkzeuge“ ist, fähig, alle anderen zu gebrauchen und somit auch aufzuwiegen.[30]) Es gibt Sprachen, die ‚besser‘ sind als andere, weil sie philosophischer sind, näher am Sein und an der Rede vom Sein. Diese höheren Sprachen müssen gepflegt werden, so wie man höhere Rassen pflegt. Es gibt einen Satz von Heidegger, der diese Sichtweise in geradezu karikaturistischer Verzerrung ausspricht:

[…] daß die griechische Sprache philosophisch ist, d.h. nicht: mit philosophischer Terminologie durchsetzt, sondern als Sprache und Sprachgestaltung philosophierend. Das gilt von jeder echten Sprache, freilich in je verschiedenem Grade. Der Grad bemißt sich nach der Tiefe und Gewalt der Existenz des Volkes und Stammes, der die Sprache spricht und in ihr existiert. Den entsprechenden tiefen und schöpferischen philosophischen Charakter wie die griechische hat nur noch unsere deutsche Sprache.[31] 

Das Griechische also, und das Deutsche, das griechischer als das Griechische ist.

Ich habe vorgeschlagen, dieses zweite Katastrophenszenario als ‚ontologischen Nationalismus‘ zu bezeichnen. Damit übernehme ich eine Diagnose von Jean-Pierre Lefebvre, der ich in jeder Hinsicht zustimme:

Beginnend mit Fichte und parallel zu einer kulturellen Bewegung, in der die Poesie und die Politik eine Hauptrolle spielen, bemüht sich das deutsche Denken um eine Wiederaneignung dessen, was an seiner Ausdrucksweise am originellsten, spezifischsten und irreduzibelsten ist. Die Unübersetzbarkeit wird im Extremfall zum Wahrheitskriterium, und dieser ontologische Nationalismus, gefestigt bis hin zu dem bewundernden Staunen, das er mehr denn irgendwo sonst jenseits des Rheins auslöst, erreicht seinen Höhepunkt bei Heidegger, der aber nichtsdestoweniger einer der größten Philosophen seiner Zeit bleibt.[32] 

Unsere Arbeit richtet sich gegen diese Tendenz zur Sakralisierung des Unübersetzbaren, die sich komplementär zu seiner universalistischen Geringschätzung verhält. Wenn diese Tendenz auch heute noch so stark vertreten ist, dann hat das damit zu tun, dass zahlreiche wichtige Texte der Philosophiegeschichte in griechischer und deutscher Sprache verfasst wurden. Außerdem war es unter den zeitgenössischen Philosophen Heidegger, der uns gelehrt oder wieder gelehrt hat, dass „[d]ie Sprache sprechen […] etwas völlig anderes [ist] als eine Sprache benützen“[33] , und dass Übersetzen „eine Erweckung, Klärung, Entfaltung der eigenen Sprache durch die Hilfe der Auseinandersetzung mit der fremden“ ist.[34] 

Der analytischen Philosophie entkommen wir, indem wir betonen, dass die Einträge in unserem Wörterbuch Wörter sind, Wörter bestimmter Sprachen und keine Begriffe. Das Unübersetzbare beschränkt sich nicht auf kontextuelle Unklarheiten. Wir entkommen der geschichtlichen Hierarchisierung der Sprachen, indem wir das Unübersetzbare übersetzen, anstatt es zu sakralisieren. Der geschichts- und schicksalsträchtigen Dimension entkommen wir, indem wir Verwechslungen von heute zum Ausgangspunkt nehmen und die Heterogenität der begrifflichen Unterscheidungen ernst nehmen, z.B. die juristischen Vokabeln des common law und des römischen Rechts mit den Unterscheidungen zwischen droit und loi bzw. right und law. Sowohl „alles Englisch“ als auch die Hierarchie der Sprachen sind Modi, das Eine und das Viele zu artikulieren, die uns besonders schädlich für das sich konstituierende Europa zu sein scheinen.

 

Deterritorialisieren

Was bleibt übrig? „Deterritorialisieren“, um ein Europa zu bauen, das nicht abgeschlossen und erstarrt ist, sondern in Bewegung bleibt. Humboldt schreibt in seinen Fragmenten der Monographie über die Basken: „Mehrere Sprachen sind nicht ebensoviele Bezeichnungen einer Sache; es sind verschiedene Ansichten derselben, und wenn die Sache kein Gegenstand der äußeren Sinne ist, sind es oft ebensoviele, von jedem anders gebildete Sachen“.[35]  Das Sein ist ein Effekt der Rede; wir sind nicht nur Perspektivisten und Relativisten, sondern auch „Logologen“. Und Humboldt fährt fort:

Durch die Mannigfaltigkeit der Sprachen wächst unmittelbar für uns der Reichthum der Welt und die Mannigfaltigkeit dessen, was wir in ihr erkennen; es erweitert sich zugleich dadurch für uns der Umfang des Menschendaseyns, und neue Arten zu denken und empfinden stehen in bestimmten und wirklichen Charakteren vor uns da.[36] 

In eine ganz ähnliche Richtung zielt das Wörterbuch, dessen Absicht Humboldt in gewisser Weise antizipierte, als er beim Versuch, den Agamemnon des Aischylos zu übersetzen, beinahe in Verzweiflung geriet: „Eine solche Synonymik der hauptsächlichen Sprachen […] ist noch nie versucht worden, ob man gleich in vielen Schriftstellern Bruchstücke dazu findet, aber bei geistvoller Behandlung müsste sie zu einem der anziehendsten Werke werden.“[37]  Die „Synonymik der hauptsächlichen Sprachen“ verweist auf die Tatsache, dass einander entsprechende Wörter in verschiedenen Sprachen scheinbar dasselbe bedeuten. Aber dies geschieht nie ohne eine Differenz, eine „Nebenbestimmung“, eine feine Abstufung auf der „Leiter der Empfindungen“, die genau den Unterschied zwischen Wörtern und Begriffen ausmacht:

Ein Wort ist so wenig ein Zeichen eines Begriffs, dass ja der Begriff ohne dasselbe nicht entstehen, geschweige denn fest gehalten werden kann; das unbestimmte Wirken der Denkkraft zieht sich in ein Wort zusammen, wie leichte Gewölke am heitren Himmel entstehen. Nun ist es ein individuelles Wesen, von bestimmtem Charakter und bestimmter Gestalt, von einer auf das Gemüth wirkenden Kraft, und nicht ohne Vermögen sich fortzupflanzen.[38] 

Deterritorialisieren, versetzen, übersetzen, zurückübersetzen: eine Sprache ist niemals ein Besitz. Dass Jan Figel gemäß der offiziellen Bezeichnung das Amt eines „EU-Kommissars für Kultur und Vielsprachigkeit“ versieht, ist ein Glücksfall.[39]  Wenn Umberto Eco in den Reden europäischer Minister immer wieder mit den Worten zitiert wird, „die Sprache Europas sei die Übersetzung“, dann erteilt er Europa die Ehre und das Vergnügen, energeia und nicht ergon zu sein, d.h. in actu, unabgeschlossen und schwankend.

Ich möchte mit einem Zitat schließen, das ebenso lang ist wie das, mit dem ich begonnen habe, und das sich als eine Antwort darauf lesen lässt. Es stammt aus dem Denktagebuch, das Hannah Arendt in mehreren Sprachen verfasst hat. Dieses Buch gab ihr die Möglichkeit, sich in ihrem Exil einzurichten – „Es ist ja nicht die deutsche Sprache gewesen, die verrückt geworden ist“, sagte sie zu Günter Gaus[40]  –, aber auch in ihrer eigenen philosophischen Kultur, indem sie nicht nur mit Platon griechisch, mit Augustinus lateinisch, mit Descartes französisch, mit Macchiavelli italienisch, mit Kant, Hegel, Marx und Heidegger deutsch sprach, sondern in den amerikanischen Jahren auch englisch, wenn sie jeweils nur diese oder jene Übersetzung zur Hand hatte.[41]  Diese Praxis der Vielsprachigkeit reflektiert Arendt sehr präzise als eine philosophische Geste:

Pluralität der Sprachen: Gäbe es nur eine Sprache, so wären wir vielleicht des Wesens der Dinge sicher.
Entscheidend ist 1. dass es viele Sprachen gibt und dass sie sich nicht nur im Vokabular, sondern auch in der Grammatik, also der Denkweise überhaupt unterscheiden und 2. dass alle Sprachen erlernbar sind.
Dadurch, dass der Gegenstand, der für das tragende Präsentieren von Dingen da ist, sowohl Tisch wie „table“ heissen kann, ist angedeutet, dass uns etwas vom wahren Wesen des von uns selbst Hergestellten und Benannten entgeht. Nicht die Sinne und die in ihnen liegenden Täuschungsmöglichkeiten machen die Welt unsicher, auch nicht einmal die ausgedachte Möglichkeit oder erlebte Panik, dass alles nur ein Traum sein könnte, sondern die Vieldeutigkeit, die mit der Sprache und vor allem mit den Sprachen gegeben ist. Innerhalb einer homogenen Menschengemeinschaft wird das Wesen des Tisches durch das Wort Tisch vereindeutigt, um doch gleich an der Grenze der Gemeinschaft ins Schwanken zu geraten.
Diese schwankende Vieldeutigkeit der Welt und die Unsicherheit des Menschen in ihr würde natürlich nicht existieren, wenn es nicht die Möglichkeit der Erlernbarkeit der fremden Sprache gäbe, die uns beweist, dass es noch andere „Entsprechungen“ zur gemeinsam-identischen Welt gibt als die unsere, oder wenn es gar nur eine Sprache gäbe. Daher der Unsinn der Weltsprache – gegen die „condition humaine“, die künstlich gewaltsame Vereindeutigung des Vieldeutigen.[42] 

Diese an die Vielheit der Sprachen gebundene „schwankende Vieldeutigkeit der Welt“ scheint mir die am wenigsten gewalttätige aller menschlichen Grundbedingungen zu sein. Ich wünsche Europa eine Vielheit von Kultursprachen, die sich gegenseitig in Erstaunen versetzen. Dass wir dabei niemals Sicherheit über das Wesen der Dinge erlangen können, auch nicht über das Wesen Europas, wird wohl das Beste sein, was Europa und uns passieren kann.

Aus dem Französischen von Marco Baschera.

 

 [1] Der vorliegende Beitrag ist bereits publiziert in Cassin (2006) und kann hier mit freundlicher Erlaubnis des Verlags in deutscher Übersetzung erscheinen (Anm. des Übers.).

 [2] In der deutschen Übersetzung des Bandes wird dieses Paradoxon durch „Leben ist Über-leben“ wiedergegeben (Anm. des Übers.).

 [3] Derrida (2005), 44-47.

 [4] Cassin (2004). Auf Deutsch wäre der Titel etwa mit ‚Wörterbuch der unübersetzbaren Wörter‘ zu übersetzen. Ich verwende diesen Titel, wenn es um den Dictionnaire des intraduisibles geht und kürze ihn ab mit Wörterbuch (Anm. des Übers.).

 [5] Ich bedaure immer noch die vom Verleger geforderte Umstellung des Titels und des Untertitels (Vocabulaire européen des philosophies. Dictionnaire des intraduisibles).

 [6] Derrida (1985), 321f.

 [7] Momigliano (1975).

 [8] Vgl. z.B. Heidegger (1952), 175ff.

 [9] Platon: Kratylos, 389e1-390a2, dt. Übers. nach der frz. Übers. von Cassin.

 [10] „Man muss nicht von den Wörtern ausgehen, sondern die Dinge selbst ausgehend von ihnen selbst kennenlernen und erforschen, nicht ausgehend von den Wörtern“. Platon: Kratylos, 439b, dt. Übers. nach der frz. Übers. von Cassin.

 [11] Schleiermacher (1813), 70, zur Unterscheidung zwischen ‚übersetzen‘ und ‚dolmetschen‘ vgl. 68-71.

 [12] Der Neologismus stammt von Novalis, der die Verdoppelung im Wort folgendermaßen erklärt: „Es ist eigentlich um das Sprechen und Schreiben eine närrische Sache; das rechte Gespräch ist ein bloßes Wortspiel. Der lächerliche Irrtum ist nur zu bewundern, daß die Leute meinen – sie sprächen um der Dinge willen. Gerade das Eigenthümliche der Sprache, daß sie sich blos um sich selbst bekümmert, weiß keiner.“ Vgl. Novalis (1999), 438.

 [13] Zur Sophisitik als Kritik an der Ontologie vgl. Cassin (1995); zur Interpretation des Lehrgedichts von Parmenides vgl. ausführlich Cassin (1998).

 [14] Nietzsche (1920), 29.

 15] Gorgias: Loblied auf Helena, dt. Übers. nach der frz. Übers. von Cassin.

 [16] Humboldt (1836), 240.

 [17] Schleiermacher (1813), 74.

 [18] Vgl. Troubetzkoy (1924), 512.

 [19] Aristoteles: Metaphysik, IV. Vgl. die frz. Übers. in Cassin/Narcy (1989).

 [20] ‚Vert/vair/verre‘ (‚grün/Feh/Glas‘) ist eine Homphonie, ‚les poules couvent au couvent‘ (‚die Hühner brüten im Kloster‘) eine Homographie (Anm. des Übers.).

 [21] Lacan (2001), 490.

 [22] Vgl. den Eintrag „Pravda“ in Cassin (2004), 980-987.

 [23] Vgl. Deleuze/Guattari (1972).

 [24] Wir transkribieren das englische governance (dt. ‚Regelung‘, ‚Steuerung‘, ‚Verwaltung‘) im Französischen als gouvernance und vollziehen damit eine Resemantisierung: Das französische Wort gouvernance ist seit 1679 belegt; es bezeichnete die Funktion einer Gouvernante und wird gemäß dem Robert historique (1992) „heute noch in Senegal verwendet für die sprachlichen und politischen Handlungen des Präsidenten Senghor, für die administrativen Ämter einer Region“. In Brüssel wird der Begriff aber nicht in diesem senegalesischen Sinn verwendet; vielmehr ist mit gouvernance das gouvernement, d.h. die Regierung und damit die politische Dimension, aus diesem Wort verschwunden. Wenn man in Frankreich von gouvernance spricht, drückt man sich nicht nur in Pidgin-Englisch aus, sondern denkt auch angelsächsisch.

 [25] Auf Deutsch etwa: ‚internationale Hilfssprache‘ (Anm. des Übers.).

 [26] Cassin bezieht sich auf den Titel des Buches von Klemperer (1947): Lingua Tertii Imperii („Die Sprache des Dritten Reiches“, Anm. des Übers.).

 [27] Leibniz (1890), 200 (Übers. von mir, M.B.).

 [28] D’Alembert (1999), 134 (Übers. von mir, M.B.).

 [29] Herder (1991), 549 (Herv. im Orig.).

 [30] Vgl. Aristoteles: De anima III, 9, 432a1-3.

 [31] Heidegger (1930), 50f. (Herv. im Orig.). Eine Fußnote am Ende des Satzes lautet: „Vgl. Meister Eckhart und Hegel.“

 [32] Jean-Pierre Lefebvre (1990), 170 (Übers. von mir, M.B.).

 [33] Heidegger (1952), 133.

 [34] Heidegger (1942), 80.

 [35] Humboldt (1801/02), 602.

 [36] Humboldt (1801/02), 602.

 [37] Humboldt (1816), 129.

 [38] Humboldt (1816), 129.

 [39] Seit dem 1. Januar 2007 wird dieses Amt von dem rumänischen EU-Kommissar Leonard Orban versehen (Anm. der Red.).

 [40] Hannah Arendt im Gespräch mit Günter Gaus, ZDF 28.10.1964, nachzulesen unter http://www.rbb-online.de/zurperson/interview_archiv/arendt_hannah.html (zuletzt gesehen am 22.06.2009).

 [41] Vgl. Courtine-Denamy (2005). Arendt (2002), Bd. 1, 42f. (H. II, Nov. 1950), Herv. im Orig. Vgl. auch Nov. 1965 (Bd. 2, H. XXIV, 642f.) und Juli 1968 (Bd. 2, H. XXV, 688-691).

 

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