Editorial
„Die eigentliche europäische Dame ist ein Wesen, welches gar nicht existieren sollte“, schreibt Arthur Schopenhauer. figurationen gibt dem Philosophen unumwunden Recht: Auf Europa und auf ein Geschlecht beschränken lassen sich die aktuellen Debatten um gendered culture nämlich nicht. Sie leben gleichviel vom inner-europäischen Austausch wie von der transatlantischen Perspektive und zugleich von der Infragestellung etablierter Geschlechtergrenzen. Dies möchte das vorliegende erste Heft, an dem Herren und Damen mitgewirkt haben, dokumentieren. Daß Sie, liebe Leserinnen und Leser, in diesem Jahr die erste, das heißt die Null-Nummer von figurationen in Händen halten würden, dafür haben die Damen Dagmar von Hoff, Ines Kappert und Barbara Naumann alle Kräfte eingesetzt.
Titel und Untertitel nennen das neue Konzept der Zeitschrift. Es sieht vor, die Interdependenz von Kultur, Gender und Literatur in den Blick zu nehmen. In diesem Heft geschieht das in einem breiten thematischen Spektrum. In der Zukunft werden die Hefte dann jeweils zu spezifischen Schwerpunkten erscheinen. Die Autoren dieses Bandes sprechen mit ihren Forschungsgebieten je eine Facette der programmatischen Konzeption von figurationen an, und Ihrer Lektüre soll hier nicht vorgegriffen werden. Von der Untersuchung der Gewaltsamkeit in der Kultur zur potentiellen Gewaltsamkeit kulturtheoretischer Konstruktionen verläuft eine Argumentationskette dieses Heftes, von kulturellen Grenzüberschreitungen zu Überschreitungen der Geschlechtergrenzen eine andere, von der Notwendigkeit und dem Spiel um künstlerische Darstellungsformen von Gender eine dritte...
Wir hoffen, daß Sie die Module der einzelnen Gebiete, daß Sie die verschiedenen Figurationen der Themen nach Ihrer Leselust und nach Ihrem Erkenntnisinteresse miteinander kombinieren. Daß sich die Themen auf diese Weise wechselseitig erhellen und in einen Dialog oder Disput miteinander treten, und daß sie obendrein Leserinnen und Leser in einen solchen verwickeln werden – das ist die Hoffnung der Redakteurinnen dieses Heftes.
Allen Autoren, die ohne zu zögern und mit großer Generosität, dazu noch in ungewöhnlich kurzer Zeit ihre Texte zur Verfügung gestellt und so einen hochkarätig besetzten Anfang der Zeitschrift ermöglicht haben, sei sehr herzlich gedankt. Dank soll auch an alle gehen, die ihr nachhaltiges Interesse an figurationen bekundet und die Redaktion in ihrem Sinnen und Trachten praktisch und moralisch unterstützt haben. Wir hoffen, Leserinnen und Leser mit Konzeption, Namen und dem neuen ‚Gesicht‘ der Zeitschrift weiterhin zu interessieren und zugleich nach vielen Seiten neugierig auf kommende Themen zu stimmen. figurationen will ein Forum sein für die Gespräche zwischen Literatur, Kultur und Gender-orientierten Überlegungen – und wir freuen uns auf Ihre Reaktion, Ihre Kritik, auf den Austausch mit unseren Leserinnen und Lesern.
Wir freuen uns sehr, daß das nächste Heft (I, 2000) mit dem Schwerpunkt „Frauen und Recht – Women and Law“ bereits unter dem Dach eines Verlags erscheinen wird.
Unser besonderer Dank geht auch an Dagmar Filter, Rüdiger Maulko, Silke Schuck und Wilhelm Zimmermann.
Hamburg, im November 1999