Editorial

„Cottura passiva“, so nennt sich ein Prozess, der im genussaffinen Italien dieser Tage die Gemüter erhitzt und zu einem „gastrophilosophischen Glaubenskampf“ geführt haben soll: Man könne und solle, so der römische Nobelpreisträger für Physik, Giorgio Parisi, Pasta ohne laufendes Feuer kochen, bei ausgeschaltetem Herd. Fast zu gut, so scheint es, passt ein Heft zu ‚Temperaturen‘ in diese erhitzten Zeiten. Von ‚Klimaerwärmung‘ und ‚Hitzesommer‘ bis zum ‚Energiekrieg‘ – Vokabeln eines das übliche Maß kritisch überschreitenden Temperaturniveaus sind allgegenwärtig, während Knappheit und Preisanstieg dazu zwingen, Heizung und Herd herunterzuregulieren. 

Die Diskussion um die „Cottura passiva“ erzählt dabei nicht nur von der Endlichkeit unserer Ressourcen, von wirtschaftlichen Zwangslagen und von neuen Arten und Weisen, über liebgewonnene Selbstverständlichkeiten privaten Zusammenlebens (zu denen die italienische Pasta mehr als vieles gehört) öffentlich zu befinden. Sie zeigt auch die anthropologische Dimension der Temperaturen, die für den interdisziplinären Ausgangspunkt dieses Heftes zentral ist. Während die Hitzewellen sich ablösender Krisenerzählungen zuweilen den Eindruck vermitteln, wir versänken in der unausweichlichen Gegenwärtigkeit unserer Gegenwart, ist es ein Verdienst der folgenden Beiträge, in die Geschichte der Temperaturen zu führen. Und dass Temperaturen nicht nur ästhetisch vermittelt auftreten, sondern durch die Jahrhunderte nachgerade eine poetologische Karriere erlebten, mag hoffentlich manchen Geist unserer Leser*innen neben der ausgeschalteten Heizung immerhin innerlich erwärmen. 

Zu sagen, dass wir der Gastedition und allen Autor*innen für eine durchweg ‚coole‘ Zusammenarbeit danken, ist vielleicht zu viel der Metaphorik – aber zutreffend ist es doch!

Zürich, im sommerlich warmen Oktober Sophie Witt