Vorschau

figurationen 02/2025: Zeit-Wirbel/Time Vortex

Gasteditor: Peter Neumann

Die Geschichte bewegt sich nicht linear – sie kreist, fällt zurück, überholt sich selbst. Fortschritt und Rückschritt greifen zu kurz, wenn Krisen sich überlagern und Vergangenes plötzlich wieder Gegenwart wird. Der weltweite Aufstieg des autoritären Populismus, die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten sowie der ungestillte Hunger großer Tech-Unternehmen nach seltenen Rohstoffen sind nur die sichtbarsten Phänomene, die von einem Déjà-vu begleitet werden. Die Geschichte ist zurück – und mit ihr kehrt ein latentes Gefahrenpotenzial, von dem man glaubte, es sei längst vergangen. Der ‚Riss in der Zeit‘, die Rückkehr der Geschichte, fördert nicht nur das Neue zutage, sondern bringt auch das Alte wieder hervor – und lässt jüngere Zeitschichten in die Ferne rücken. Neben unvermeidbare Zäsuren treten Ligaturen und Rekursionen, kurz: Wirbelbewegungen, die zeigen, dass das Neue stärker vom Älteren geprägt ist, als es dem modernen Zeitbewusstsein recht sein kann. Verfolgt man die Motiv- und Problemgeschichte des Wirbels von Anaxagoras über Edgar Allan Poe bis zu Michel Serres, fällt eines immer wieder ins Auge: Der Wirbel stellt eine morphologische Figur des Übergangs dar, in der die Entwicklung in der Zeit nicht zur kompletten Dissoziation des Bildes führt, sondern die Komplexität der gesamten Figuration hervorbringt. Die Beiträge von Anne Dippel, Alexander Kluge, Johann Kreuzer, Kateryna Mishchenko, Peter Neumann, Moritz Riemann, Jan Volker Röhnert, Sina Steglich und Jan Urbich erkunden, wie sich Geschichte in Wirbeln vollzieht und welche Orientierung wir in ihrer Unruhe finden können.

Peter Neumann ist promovierter Philosoph und Redakteur im Feuilleton der Wochenzeitung DIE ZEIT

 

figurationen 01/2026:  Flüsse – Rivers – Ríos

Gasteditorinnen: Isabel von Holt, Catarina von Wedemeyer